Urteil des BAG vom 31.07.2002 – 7 AZR 118/01
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 31.07.2002, 7 AZR 118/01
Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Rentenbezug - Tarifauslegung
Leitsätze
Die in einem Tarifvertrag vorgesehene Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit tritt nicht ein, wenn der Arbeitnehmer auf seinem bisherigen oder einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann und der Arbeitnehmer noch vor Zustellung des Rentenbescheids vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung verlangt.
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 23. Januar 2001 - 1 Sa 485 b/00 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund der Gewährung einer unbefristeten Rente wegen Berufsunfähigkeit geendet hat, und über Entgeltansprüche aus Annahmeverzug.
Der Kläger ist seit 1982 bei der Beklagten als Busfahrer zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 4.228,00 DM beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft betrieblicher Übung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der AUTOKRAFT Partner im Norden vom 3. Juli 1998 (MTV) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:
"§ 25 I Abs. 2:
Das Arbeitsverhältnis endet außerdem
...
b) vor dem Ende des Monats, ab dem der Arbeitnehmer eine unbefristete Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger erhält, ohne daß es einer vorherigen Kündigung bedarf,
...
3. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die AUTOKRAFT GmbH unverzüglich über zu Ziff. ... 2 b) gestellte Anträge beim Rentenversicherungsträger zu unterrichten.
...“
Der Kläger erlitt am 17. November 1998 einen zweiten Herzinfarkt und war danach bis zum 20. April 2000 arbeitsunfähig. Mit Bescheid der LVA Schleswig-Holstein vom 16. September 1999, der dem Kläger im September 1999 zuging, wurde ihm auf seinen Antrag vom 28. Juli 1999 ab dem 1. Dezember 1998 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von 1.324,78 DM monatlich bewilligt. Die tatsächliche Rentenzahlung begann erst am 19. Dezember 1998, weil der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt Leistungen nach § 116 Abs. 1 SGB VI bezog.
Am 28. Oktober 1999 stellte der Kläger einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter. Hierüber informierte er den Betriebsleiter der Beklagten mündlich. Mit Bescheid vom 31. Januar 2000 wurde der Kläger ab dem 28. Oktober 1999 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt.
Eine Untersuchung des Klägers durch den Arbeitsmedizinischen Dienst am 28. März 2000 ergab, daß er als Busfahrer nicht mehr eingesetzt werden kann. Ihm sind danach lediglich Tätigkeiten mit leichter körperlicher Belastung zumutbar. Am 13. oder 14. April 2000 wurde der Kläger von dem Betriebsleiter der Beklagten darüber informiert, daß er nicht weiterbeschäftigt werde. Am 18. April 2000 bot der Kläger der Beklagten seine Arbeitskraft ab dem 21. April 2000 für alle Tätigkeiten mit Ausnahme der Personenbeförderung an. Mit Schreiben vom 2. Mai 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, das Arbeitsverhältnis bestehe unverändert fort. Weder sei eine Kündigung ausgesprochen worden, noch greife die Vorschrift des § 25 I Abs. 2 Buchst. b) MTV derzeit ein, da auf Grund der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nach § 22 SchwbG die Fürsorgestelle einzuschalten sei. Am selben Tag beantragte die Beklagte bei der Fürsorgestelle die Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Fürsorgestelle stimmte mit am 11. Juli 2000 bei der Beklagten eingegangenem Bescheid der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 17. Juli 2000 mit, auf Grund der Zustimmung der Fürsorgestelle sei das Arbeitsverhältnis ab dem 11. Juli 2000 beendet, weil eine Weiterbeschäftigung mangels eines für ihn geeigneten freien Arbeitsplatzes nicht möglich sei. Dagegen hat sich der Kläger mit der vorliegenden Klage gewandt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente habe nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt, weil er auf einem anderen zumutbaren Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könne. Einen solchen Arbeitsplatz könne die Beklagte durch Umorganisation der vorhandenen Arbeitsplätze einrichten. Die Beklagte sei nach den tariflichen Bestimmungen verpflichtet, ihm das Entgelt als Busfahrer ab dem 21. April 2000 bis zum 30. Juni 2000 weiterzugewähren, auch wenn er diese Tätigkeit nicht mehr ausüben könne. Zumindest müsse sie ihm das Entgelt für eine Tätigkeit zu geänderten, ihm zumutbaren Arbeitsbedingungen zahlen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit dem 11. Juli 2000 geendet hat,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.602,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf 1.746,00 DM ab dem 1. Mai 2000, auf weitere 4.428,00 DM ab dem 1. Juni 2000 und auf weitere 4.428,00 DM ab dem 1. Juli 2000 zu zahlen,
hilfsweise
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 21. April 2000 entsprechend seiner Eingruppierung zu vergüten.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe auf Grund der Zustimmung der Fürsorgestelle am 11. Juli 2000 geendet. Eine für den Kläger geeignete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz habe nicht bestanden. Der Kläger könne nicht verlangen, daß durch Umorganisationsmaßnahmen ein für ihn zumutbarer Arbeitsplatz geschaffen werde. Arbeitsentgelt aus Annahmeverzug stehe ihm nicht zu, weil er nicht mehr in der Lage sei, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung als Busfahrer zu erbringen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat allerdings entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht erst am 11. Juli 2000, sondern bereits am 30. November 1998 geendet. Deshalb steht dem Kläger für die Zeit vom 21. April 2000 bis zum 30. Juni 2000 Arbeitsentgelt aus Annahmeverzug nicht zu. Der Hilfsantrag ist unzulässig.
I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde auf Grund der dem Kläger bewilligten Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 25 I Abs. 2 Buchst. b) MTV am 30. November 1998 beendet. Der Zustimmung der Fürsorgestelle nach § 22 Satz 1 SchwbG bedurfte es nicht.
1. Nach § 25 I Abs. 2 MTV endet das Arbeitsverhältnis "vor dem Ende des Monats, ab dem der Arbeitnehmer eine unbefristete Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger erhält, ohne daß es einer vorherigen Kündigung bedarf". Diese Bestimmung ist - trotz der mißverständlichen Formulierung - so zu verstehen, daß das Arbeitsverhältnis am Ende des letzten Monats vor der Rentenbewilligung endet. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Danach soll das Arbeitsverhältnis von dem Zeitpunkt an nicht mehr bestehen, ab dem dem Arbeitnehmer eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit gezahlt wird. Da die Rente nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ab dem Monat gewährt wird, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, ist es folgerichtig, das Arbeitsverhältnis am letzten Tag des Vormonats zu beenden.
2. Die Bestimmung in § 25 I Abs. 2 Buchst. b) MTV ist wirksam. Sie enthält eine auflösende Bedingung, die mit eingeschränktem Inhalt der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle standhält und deshalb mit höherrangigem Recht vereinbar ist.
a) Tarifliche Regelungen über auflösende Bedingungen sind grundsätzlich zulässig. Sie dürfen jedoch nicht zu einer objektiven Umgehung zwingender kündigungsschutzrechtlicher Vorschriften führen. Sofern dies der Fall ist, bedürfen auflösende Bedingungen, ebenso wie Befristungen, eines sie rechtfertigenden Sachgrunds (vgl. BAG 6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Post Nr. 3 = EzA BGB § 620 Bedingung Nr. 16, zu B II 1 bis 3 der Gründe mwN). Genügen die Tarifbestimmungen den Anforderungen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle, sind sie auch mit der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit vereinbar (st. Rspr., vgl. BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 891/98 - AP MTL II § 62 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1, zu B II 1 b aa der Gründe mwN).
b) Die Regelung in § 25 I Abs. 2 Buchst. b) MTV dient, ebenso wie § 59 Abs. 1 BAT (BAG 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - AP BAT § 59 Nr. 6 = EzA BGB § 620 Nr. 134), § 62 MTArb (BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 891/98 - aaO; 9. August 2000 - 7 AZR 749/98 - ZTR 2001, 270) und § 25 II Abs. 1 TVArb Deutsche Post (BAG 6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - aaO, zu B II 2 der Gründe) einerseits dem Schutz des Arbeitnehmers, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit zu verrichten und bei dem im Falle einer Fortsetzung der Tätigkeit die Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes besteht. Andererseits will die Vorschrift dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, sich von einem Arbeitnehmer zu trennen, der gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, seine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung zu erbringen (BAG 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - aaO, zu I 3 b der Gründe; 9. August 2000 - 7 AZR 214/99 - BAGE 95, 264 = AP BAT § 59 Nr. 10, zu II 2 der Gründe). Diese berechtigten Interessen beider Arbeitsvertragsparteien sind grundsätzlich geeignet, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung sachlich zu rechtfertigen.
c) Allerdings gebieten Sinn und Zweck der Tarifvorschrift sowie verfassungsrechtliche Gesichtspunkte eine einschränkende Auslegung dahingehend, daß eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses dann nicht eintritt, wenn der Arbeitnehmer noch auf seinem bisherigen oder einem anderen, ihm nach seinem Leistungsvermögen zumutbaren freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann (BAG 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - aaO, zu I 3 b, c, 4 der Gründe; 9. August 2000 - 7 AZR 214/99 - aaO, zu II 2 der Gründe; 6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - aaO, zu B II 3 der Gründe). Dies setzt jedoch voraus, daß der Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung rechtzeitig vom Arbeitgeber verlangt. Denn der Arbeitgeber kann in aller Regel davon ausgehen, daß der Arbeitnehmer, der einen Rentenantrag wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit stellt und dessen Arbeitsverhältnis nach einer tariflichen Bestimmung bei Bewilligung der Rente endet, kein Interesse an einer Weiterbeschäftigung hat. Der Arbeitgeber muß daher in einem solchen Fall nicht von sich aus prüfen, ob und welche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Dies ist ihm im allgemeinen schon deshalb nicht möglich, weil ihm das Leiden des Arbeitnehmers und sein gesundheitliches Leistungsvermögen nicht näher bekannt sind. Deshalb obliegt es dem Arbeitnehmer, der an einer Weiterbeschäftigung auch bei Bewilligung der Rente interessiert ist, dies dem Arbeitgeber mitzuteilen (BAG 9. August 2000 - 7 AZR 749/98 - aaO, zu A II 2 c aa der Gründe; 6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - aaO, zu B II der Gründe). Dies hat so rechtzeitig zu geschehen, daß der Arbeitgeber in der Lage ist zu prüfen, ob das Arbeitsverhältnis im Falle der Rentenbewilligung endet oder ob es fortbesteht, weil eine Beschäftigungsmöglichkeit auf einem dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers entsprechenden freien Arbeitsplatz besteht. Dazu ist erforderlich, daß der Arbeitgeber noch vor der Zustellung des Rentenbescheids von dem Weiterbeschäftigungsverlangen Kenntnis erlangt. Ist dies nicht der Fall, endet das Arbeitsverhältnis bei Bewilligung der Rente unabhängig davon, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht oder nicht.
d) Der Wirksamkeit der tariflichen Regelung steht nicht entgegen, daß sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Regel zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt bewirkt, weil eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Rentenbescheids geleistet wird, sondern nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ab dem Monat, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Zwar treten nach § 158 Abs. 2 BGB die Rechtsfolgen einer auflösenden Bedingung nur für die Zukunft ein. Nach § 159 BGB kann jedoch auch eine obligatorisch wirkende Rückbeziehung vereinbart werden (Staudinger/Borck BGB 13. Bearbeitung § 159 Rn. 1, 6). Dies ist jedenfalls dann zulässig, wenn ein Arbeitsverhältnis bereits außer Vollzug gesetzt ist (BAG 10. Dezember 1998 - 8 AZR 324/97 - BAGE 97, 260, zu B I 2 der Gründe mwN; 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - BAGE 92, 299 = AP BurlG § 7 Abgeltung Nr. 77, zu 2 d der Gründe). Davon können die Tarifvertragsparteien bei der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit regelmäßig ausgehen.
3. Nach diesen Grundsätzen hat das Arbeitsverhältnis des Klägers am 30. November 1998 geendet.
a) Der Kläger erhielt nach dem Rentenbescheid der LVA Schleswig-Holstein vom 16. September 1999 ab dem 1. Dezember 1998 Rente wegen Berufsunfähigkeit. Zwar wurde ihm die Rente tatsächlich erst ab dem 19. Dezember 1998 ausbezahlt. Dies ist jedoch unerheblich. Der Beginn der Rentenzahlung war nur deshalb auf diesen Zeitpunkt hinausgeschoben, weil dem Kläger bis zum 18. Dezember 1998 Rehabilitationsleistungen nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB VI (in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung) zustanden und der Rentenanspruch deshalb bis dahin ausgeschlossen war.
b) Der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 1998 steht nicht entgegen, daß der Kläger möglicherweise zu geänderten Arbeitsbedingungen hätte weiterbeschäftigt werden können. Denn der Kläger hat seine Weiterbeschäftigung nicht vor Zustellung des Rentenbescheids von der Beklagten verlangt. Nach seinem eigenen Vorbringen hat er den Wunsch auf Weiterbeschäftigung erst anläßlich der absehbaren Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit am 18. April 2000 gegenüber der Beklagten geäußert. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen freien Arbeitsplatz bestand oder ob die Beklagte verpflichtet war, durch organisatorische Maßnahmen einen solchen Arbeitsplatz für den Kläger zu schaffen.
4. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedurfte nicht der Zustimmung der Fürsorgestelle. Die Schutzwirkung des § 22 SchwbG (in der bis zum 30. Juni 2001 geltenden Fassung; jetzt: § 92 SGB IX) greift zu Gunsten des Klägers nicht ein, da er weder im Zeitpunkt der Rentenantragstellung noch bei Zustellung des Rentenbescheids als Schwerbehinderter anerkannt war oder einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt hatte (BAG 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - aaO, zu II 3 der Gründe).
a) Nach § 22 Satz 1 SchwbG bedarf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten der vorherigen Zustimmung der Fürsorgestelle, wenn sie im Falle des Eintritts der Berufsunfähigkeit ohne Kündigung erfolgt. Der besondere Beendigungsschutz setzt jedoch voraus, daß die Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers anerkannt oder zumindest ein entsprechender Antrag gestellt war (BAG 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - aaO, zu II 3 der Gründe mwN). Ob diese Voraussetzungen bereits zum Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit vorliegen müssen (vgl. GK-SchwbG-Schimanski 2. Aufl. § 22 Nr. 9), der Zeitpunkt der Rentenantragstellung ausreicht oder auf den Zugang des Rentenbescheids abzustellen ist (offengelassen von BAG 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - aaO, zu II 3 der Gründe), kann im vorliegenden Fall offenbleiben. Denn der Kläger hat den Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter erst nach Zustellung des Rentenbescheids gestellt.
b) Die Schwerbehinderung des Klägers war nicht offenkundig. Ob einem Arbeitnehmer in einem solchen Fall der besondere Schutz des § 22 SchwbG auch dann zusteht, wenn er die Anerkennung als Schwerbehinderter nicht beantragt hat (vgl. dazu BAG 5. Juli 1990 - 2 AZR 8/90 - AP SchwbG 1986 § 15 Nr. 1 = EzA SchwbG 1986 § 15 Nr. 3, zu I 4 e bb der Gründe; 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - aaO, zu II 2 der Gründe), bedarf keiner Entscheidung. Auch wenn dies zugunsten des Klägers unterstellt wird, müßte nicht nur die Behinderung, sondern auch der Grad der Behinderung von mindestens 50 offenkundig sein (BAG 5. Juli 1990 - 2 AZR 8/90 - aaO, zu I 4 e bb der Gründe mwN). Davon kann im Fall des Klägers nicht die Rede sein. Ein Herzinfarkt führt nicht automatisch zu einem Grad der Behinderung von mindestens 50. Nach Nr. 26.9 der vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" hängt der Grad der Behinderung bei Krankheiten des Herzens weniger von der Art der Erkrankung, sondern vielmehr von der damit verbundenen Leistungseinbuße ab. Diese kann zu einem Grad der Behinderung von 0 bis 100 führen.
c) Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hing auch nicht deshalb von der Zustimmung der Fürsorgestelle ab, weil die Parteien diese rechtsfehlerhaft für erforderlich hielten. Die Parteien haben weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart, daß die Zustimmung der Fürsorgestelle auch dann erforderlich sein sollte, wenn die Voraussetzungen des § 22 Satz 1 SchwbG nicht vorlagen. Unabhängig von der Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung kann dem Schreiben der Beklagten vom 2. Mai 2000, das als Grundlage dafür allein in Betracht kommt, ein solcher Erklärungswert nicht beigemessen werden. Aus diesem Schreiben ergibt sich vielmehr, daß die Beklagte von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der Regelung in § 25 I Abs. 2 Buchst. b) MTV ausging und den vorläufigen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nur deshalb annahm, weil die Tarifvorschrift nach ihrer Auffassung mangels Zustimmung der Fürsorgestelle "derzeit" noch keine Wirkung entfaltete. Die Beklagte hat daher lediglich eine unzutreffende Rechtsansicht geäußert, aber keine auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zur Zustimmung der Fürsorgestelle gerichtete Willenserklärung abgegeben.
II. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien am 30. November 1998 geendet hat, stehen dem Kläger für die Zeit vom 21. April 2000 bis zum 30. Juni 2000 Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug nach § 615 BGB nicht zu.
III. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist mangels hinreichender Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Weder der Antrag selbst noch die vom Kläger vorgebrachte Begründung lassen erkennen, auf welcher arbeitsvertraglichen Grundlage und zu welchen Bedingungen die Beklagte zur Entgeltzahlung verpflichtet sein soll. Daher ist nicht erkennbar, wie das festzustellende Rechtsverhältnis ausgestaltet sein soll. Es könnte allenfalls darüber befunden werden, daß die Beklagte als Arbeitgeberin im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses zur Gewährung einer Vergütung verpflichtet ist. Damit begehrt der Kläger die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage. Dies kann nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Im übrigen bestehen seit Dezember 1998 keine Rechtsbeziehungen mehr zwischen den Parteien. IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dörner Gräfl Linsenmaier
G. Metzinger Wilke
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