Urteil des BAG vom 16.10.2002 – 4 AZR 467/01
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 16.10.2002, 4 AZR 467/01
Bezugnahmeklausel und Betriebsübergang
Leitsätze
1. Ist im Arbeitsvertrag mit dem tarifgebundenen Arbeitgeber vereinbart, für das Arbeitsverhältnis "gelten die Bedingungen des jeweils gültigen Tarifvertrages", so stellt dies in der Regel eine "Tarifwechselklausel" dar.
2. Mit dieser Tarifwechselklausel wird zunächst auf die Tarifverträge Bezug genommen, an die der Arbeitgeber bei Abschluß des Arbeitsvertrages gebunden ist.
3. Eine solche Tarifwechselklausel bewirkt auch, daß an Stelle der Bedingungen dieser Tarifverträge die Normen anderer Tarifverträge anzuwenden sind, an die der Arbeitgeber im Falle des Wechsels seiner Tarifgebundenheit gebunden ist.
4. Die Vereinbarung gemäß Leitsatz 1 stellt zugleich eine Gleichstellungsabrede dar. Endet die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers ersatzlos, so gelten die Bedingungen des in Bezug genommenen Tarifvertrages mit dem Stand (statisch) weiter, den sie bei Wegfall der Tarifgebundenheit haben .
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 27. April 2001 - 3 Sa 577/00 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf weitere 552,00 DM brutto als restliche Jahressonderzahlung für das Jahr 1999 hat.
Der am 10. August 1970 geborene Kläger ist gemäß Arbeitsvertrag vom 17. Juli 1991 mit der Hotel N GmbH D seit 1. Juli 1991 mit einer anerkannten Unternehmenszugehörigkeit ab 1. Januar 1990 im Hotel M D als Klempner beschäftigt.
Ziff. 4) des Arbeitsvertrages lautet:
"Urlaub
Der Urlaub richtet sich nach den Regelungen des jeweils geltenden Tarifvertrages bzw. des Bundesurlaubsgesetzes. ..."
Ziff. 12) des Arbeitsvertrages lautet:
"Tarifvertrag
Im übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen sowie die Bedingungen des jeweils gültigen Tarifvertrages, betrieblicher Ordnungen und Vereinbarungen."
Die Hotel N GmbH D war Mitglied der Interhotel-Gruppe, die den Manteltarifvertrag vom 26. Februar 1991 mit der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) (MTV Interhotel) abgeschlossen hatte, der räumlich ua. für Sachsen gilt und fachlich ua. alle "Hotel GmbH sowie deren Tochtergesellschaften" erfaßt. Dessen § 9 enthielt eine Weihnachtsgeldregelung, nach der Arbeitnehmer mit einer Unternehmenszugehörigkeit ab dem 1. Januar 1990 für 1993 75 % und für die Jahre 1994 und 1995 100 % der tariflich vorgesehenen Vergütung ohne Zuschläge erhalten sollten. Die Parteien gehen davon aus, daß dem Kläger danach für 1993 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 2.180,00 DM brutto zugestanden hätte. Der MTV Interhotel wurde zum 31. Dezember 1993 gekündigt.
Zuvor hatte die Beklagte zum 1. Juli 1992 auf Grund eines Pachtvertrages die Leitungsbefugnis im Hotel M in D übernommen. Sie trat am 1. Juli 1993 dem Hotel- und Gaststättenverband Sachsen e. V. bei.
Der am 27. Mai 1991 abgeschlossene und am 1. Juni 1991 in Kraft getretene "Manteltarifvertrag zwischen dem Sächsischen Gaststätten- und Hotelverband e.V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten ... für das Land Sachsen, für alle Betriebe des Gastgewerbes iSd. Gaststättengesetzes ..." (MTV 1991) wurde von der Gewerkschaft NGG mit Schreiben vom 11. Juni 1993 form- und fristgerecht zum 31. Dezember 1993 gekündigt. Die Verhandlungen zum Neuabschluß führten zu keinem Ergebnis, so daß in der Verhandlungsrunde der Tarifvertragsparteien am 7. Juli 1994 vereinbart wurde, daß der MTV 1991 zunächst bis zum 31. Dezember 1994 unverändert fortgelten soll. Auch die daran anschließenden Verhandlungen brachten zunächst keinen neuen MTV. Am 22. Juni 1995 wurde vereinbart, daß der MTV vom 27. Mai 1991 unverändert fortgelten soll. Der "Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe im Land Sachsen in überarbeiteter Fassung vom 22. Juni 1995" erfuhr lediglich einige redaktionelle Anpassungen. Der MTV 1991 wurde durch den Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Sachsen vom 13. Februar 1997 (MTV 1997), gültig ab 1. März 1997 (kündbar zum 31. Dezember 1999) ersetzt.
In den Jahren 1993 bis 1997 zahlte die Beklagte an den Kläger mit den Bezügen für den Monat November jeweils ein "Weihnachtsgeld" in Höhe von 2.180,00 DM. Ein Weihnachtsgeld in dieser Höhe hatte der Kläger bereits seit 1991 erhalten. In der Abrechnung für November 1997 war der Betrag in die Zahlungen "Weihnachtsgeld" in Höhe von 600,00 DM und "Einmalzahlung" in Höhe von 1.580,00 DM aufgegliedert.
Im November 1998 erfolgte die Zahlung einer "Weihnachtszuwendung" in Höhe von 700,00 DM sowie im Dezember 1998 die Zahlung einer weiteren "Weihnachtszuwendung" in Höhe von 1.480,00 DM.
Zusammen mit den Bezügen für den Monat November 1999 erhielt der Kläger Zahlungen in Höhe von 800,00 DM brutto als "Weihnachtszuwendung" und 828,00 DM brutto als "Sonderzahlung".
In dem "Gesprächsprotokoll" vom 8. November 1998 über die "Beratung des Betriebsrates Hotel M mit der Arbeitgeberseite am 4. November 1998" heißt es nach Aufführung der Gesprächsteilnehmer:
"Zwischen den Teilnehmern der Besprechung wird vereinbart, daß im Jahre 1998 folgende Regelung für die Zahlung von Jahressondervergütungen gilt:
1. Die Jahressondervergütung/Weihnachtsgeld wird entsprechend des gültigen Sächsischen Manteltarifvertrages an alle Mitarbeiter gezahlt.
2. Die Mitarbeiter, die im Jahre 1997 eine Sonderzahlung erhalten haben, werden auch 1998 eine Sonderzahlung, die auf die gleiche Weise wie 1997 errechnet wird, erhalten.
Die Arbeitgeberseite betont, daß für das Jahr 1999 keine Sonderzahlung vorgesehen ist und auch kein Geld dafür im Jahresbudget enthalten ist.
Deshalb vereinbaren beide Seiten, sich im 1. oder 2. Quartal 1999 zu einem Gespräch über die Möglichkeiten einer Sonderzahlung für 1999 zusammenzufinden, sofern es bis dahin zu keiner von der Hotelgesellschaft verbindlichen Sonderzahlungsregelungen gekommen ist. Der Betriebsrat sieht in der Zahlung einer Sondervergütung eine gute Möglichkeit, die Mitarbeiter zu weiterhin guten Arbeitsleistungen zu stimulieren."
Das Schriftstück ist von dem Regionaldirektor der Region Ost, dem Direktor Hotel M D und "i.V." für "F M Betriebsratsvorsitzender (Kläger im Verfahren - 4 AZR 580/01 -)" von dem "Betriebsrat" J S unterschrieben.
Der Kläger, Mitglied des Betriebsrats des Hotels M in D und Teilnehmer der "Beratung", trat der Gewerkschaft NGG im Juni 1999 bei.
Nach erfolgloser Geltendmachung der Differenz von 552,00 DM brutto zu dem bisher jahrelang gezahlten Betrag von 2.180,00 DM mit Schreiben vom 1. Dezember 1999 verfolgt der Kläger mit seiner am 18. Januar 2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage diese restliche Jahressonderzahlung für das Jahr 1999 weiter. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Anspruch folge bereits aus § 15 des Manteltarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Sachsen vom 13. Februar 1997, gültig ab 1. März 1997, kündbar zum 31. Dezember 1999:
"Schlußbestimmungen
1. Bereits gewährte oder vereinbarte bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen dürfen nicht verschlechtert werden."
Das sei nicht auf einzelvertragliche Bedingungen beschränkt. Im übrigen stelle § 15 MTV 1997 auch auf tatsächlich gewährte Leistungen ab.
Ferner habe der Kläger einen einzelvertraglichen Anspruch, da die Tarifverträge nur durch Inbezugnahme Wirkung entfalteten.
Der Kläger hat sich auch auf betriebliche Übung berufen. Die Beklagte habe über den Anspruch des Klägers auf eine Jahressonderzahlung gem. MTV hinaus ohne Vorbehalt in Höhe des Anspruchs aus § 9 MTV Interhotel bezahlt. Hätte die Beklagte lediglich § 9 MTV Interhotel anwenden wollen, dann hätte sie jeweils an das geltende Bruttogehalt anpassen müssen. Da jedoch die Beklagte ab 1991 einen gleichbleibenden Betrag gezahlt gehabt habe, habe sie einen eigenständigen Rechtsgrund setzen wollen. Es habe sich um vorbehaltlose Zahlungen gehandelt. Die Beklagte könne sich hiervon nicht mehr einseitig lossagen. Aus dem Protokoll der Besprechung vom 4. November 1998, auf das sich die Beklagte berufe, folge kein Angebot an die Beschäftigten; im übrigen habe der Kläger ein solches auch nicht angenommen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 552,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag vom 16. Januar 2000 bis zum 30. Januar 2000 sowie 8,42 % Zinsen ab dem 1. Mai 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie habe bis 1997 auf Grund des nachwirkenden MTV Interhotel Leistungen erbracht. Dieser MTV sei sodann durch den MTV 1997 abgelöst worden. Die Besitzstandsklausel in § 15 MTV 1997 stehe nicht entgegen. Ein Besitzstand aus einem gekündigten Tarifvertrag sei keine "vereinbarte" Arbeitsbedingung. Unter den "gewährten" Leistungen iSd. § 15 MTV 1997 seien nur solche zu verstehen, die ohne Abrede ausschließlich tatsächlich gewährt würden. Die Gleichstellungsklausel habe Außenseiter nicht privilegieren sollen. Einer Betriebsübung stehe bereits das Schriftformerfordernis des Arbeitsvertrages entgegen. Ein Anspruch aus Betriebsübung sei nicht entstanden. Die Nachwirkung habe ein Einfrieren der Ansprüche bewirkt. Seit der Ablösung des § 9 MTV Interhotel durch den aktuellen MTV habe es keine vorbehaltlose Zahlung im früheren Umfang gegeben. Im übrigen habe die Beklagte nach Ablösung des MTV Interhotel allenfalls zweimal geleistet. Die Beklagte hat ferner auf das "Gesprächsprotokoll" vom 8. November 1998 mit ihrer Erklärung gegenüber dem Betriebsrat vom 4. November 1998 verwiesen, für das Folgejahr keine Sonderzahlung zu leisten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere 552,00 DM brutto als rest
iche Jahressonderzahlung für das Jahr 1999. Dieser Anspruch ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus Tarifvertrag noch aus betrieblicher Übung.
I. Der Anspruch ergibt sich nicht aus Ziff. 12 des Arbeitsvertrages vom 17. Juli 1991 iVm. § 9 MTV Interhotel iVm. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB sowie hilfsweise gem. § 15 MTV 1997.
1. Ziff. 12 des Arbeitsvertrages vom 17. Juli 1991 deckt den Wechsel von einem Firmentarifvertrag zu einem Verbandstarifvertrag ab. Das hat zur Folge, daß ab 1. Juli 1993 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der MTV 1991 anzuwenden war, der vom MTV 1997 abgelöst wurde.
a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die als Gleichstellungsabrede auszulegende Ziff. 12 des Arbeitsvertrages führe zu diesem Ergebnis. Es widerspräche den vertraglichen Vereinbarungen, trotz fehlender Tarifgebundenheit des Klägers vor dem Betriebsübergang von einer stärkeren Bindung an frühere Tarifverträge auszugehen, als dies bei Gewerkschaftszugehörigkeit der Fall wäre. Ein bestimmter genau bezeichneter Tarifvertrag sei nicht in Bezug genommen. Der sonach anwendbare MTV 1991 und der ihn ablösende - und seit Juni 1999 kraft kongruenter beiderseitiger Tarifgebundenheit nunmehr auch gem. § 4 Abs. 1 TVG geltende - MTV 1997 habe für 1999 in § 7 lediglich ein Weihnachtsgeld in Höhe von 800,00 DM brutto vorgesehen, das der Kläger erhalten habe.
b) Dem folgt der Senat im Ergebnis. Es liegt nicht nur eine Gleichstellungsabrede, sondern darüber hinaus eine sog. Tarifwechselklausel vor.
aa) Da alle Arbeitnehmer nach dem MTV Interhotel behandelt wurden, liegt eine Gleichstellungsabrede vor. Darin stimmen die Parteien überein, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt haben. Der Senat hat durch Urteil vom 26. September 2001 (- 4 AZR 544/00 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 21 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 19, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) entschieden, daß eine dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Vertrag typischerweise eine Gleichstellungsabrede ist. Darauf nimmt der Senat Bezug. Ein über die Gleichstellung aller Arbeitnehmer hinausgehender Regelungswille ist hier nicht erkennbar. Eine schuldrechtlich weitergehende Tarifwirkung als in der Beziehung zwischen den nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien ist nicht gegeben. Deshalb ist das Gleichstellung. Das hatte zur Folge, daß der MTV Interhotel Stand 1. Juli 1992 zunächst auf das Arbeitsverhältnis weiter anzuwenden war, § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB.
bb) Darüber hinaus erfaßt die Klausel den Wechsel von einem Firmen- zu einem Verbandstarifvertrag.
aaa) Haben die ursprünglichen Parteien des Arbeitsverhältnisses, also der Arbeitnehmer und der Betriebsveräußerer nur eine Gleichstellungsabrede im Arbeitsvertrag vereinbart, hat diese nicht zur Folge, daß anstelle des bisherigen, im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrages nunmehr der Tarifvertrag gelten soll, an den der neue Inhaber gebunden ist. Die Gleichstellung ersetzt nur die fehlende Tarifgebundenheit hinsichtlich des in Bezug genommenen Tarifvertrages, an den der alte Arbeitgeber gebunden war; sie wirkt aber nur im Geltungsbereich des in Bezug genommenen Tarifvertrages (Senat 21. Februar 2001 - 4 AZR 18/00 - BAGE 97, 107, 124). Eine solche Bezugnahme kann, wenn sie eine Gleichstellungsabrede darstellt, nicht als Tarifwechsel- oder Transformationsklausel oder sogenannte große dynamische Verweisungsklausel verstanden werden, nach der das für den jeweiligen Arbeitgeber einschlägige Tarifwerk gelten solle (Senat 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - BAGE 95, 296, 299 f.; 25. Oktober 2000 - 4 AZR 506/99 - BAGE 96, 177). Soll die Möglichkeit eröffnet werden, daß das Arbeitsverhältnis den Tarifverträgen in jeweils gültiger Fassung unterliegt, die für den Betrieb oder Betriebsteil jeweils unmittelbar und zwingend gelten, so kann dies nur in einer sogenannten "Tarifwechselklausel" im Arbeitsvertrag vereinbart werden (Senat 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - BAGE 95, 296, 300 f.).
bbb) Das ist hier der Fall. Aus dem Arbeitsvertrag wird deutlich, daß nicht nur der gerade für die Rechtsvorgängerin der Beklagten geltende Tarifvertrag die Grundlage des Arbeitsvertrages sein sollte, sondern jeweils der Tarifvertrag, an den die Rechtsvorgängerin der Beklagten gerade gebunden war. Daraus folgt, daß für den Kläger ab Betriebsübergang der MTV Interhotel weiter anzuwenden war mit dem Inhalt zur Zeit des Betriebsübergangs. Die Betriebsübernehmerin war (noch) nicht tarifgebunden. Das änderte sich per 1. Juli 1993. Die Beklagte war in den Hotel- und Gaststättenverband Sachsen e. V. eingetreten mit der Folge, daß sie als Betrieb des Gastgewerbes an die von diesem Verband abgeschlossenen Tarifverträge gebunden war.
(1) Ziff. 12 des Arbeitsvertrages nimmt nicht nur den MTV Interhotel in Bezug, sondern es ist auf den jeweils geltenden Tarifvertrag, zB Ziff. 4 des Arbeitsvertrages und "im übrigen" auf "die Bedingungen des jeweils gültigen Tarifvertrags" abgestellt. Eine Vereinbarung dieses Inhalts bedeutet, es solle der für den Arbeitgeber jeweils geltende Tarifvertrag, also der, an den er gebunden ist, für die Arbeitnehmer Anwendung finden, unabhängig davon, ob sie tarifgebunden sind oder nicht. Geht der Betrieb über, sind diese Vereinbarungen dahin zu verstehen, daß der für den Betriebserwerber geltende Tarifvertrag Anwendung findet, also hier ab Tarifgebundenheit der Beklagten, 1. Juli 1993, der MTV für alle Betriebe des Gastgewerbes vom 27. Mai 1991, in Kraft ab 1. Juni 1991, welcher Tarifvertrag von dem Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Sachsen vom 13. Februar 1997, gültig ab 1. März 1997 abgelöst wurde.
(2) Das Nachweisgesetz steht dem nicht entgegen. Zwar ist nach dem Nachweisgesetz erforderlich, daß zumindest angegeben wird, welche nach ihrem Geltungsbereich umschriebenen Tarifverträge bei Abschluß des Arbeitsvertrages Anwendung finden. Es handelt sich hier aber um einen sogenannten Altvertrag. Das Arbeitsverhältnis hat bereits bei Inkrafttreten des Nachweisgesetzes - 28. Juli 1995 - bestanden, so daß eine Abweichung zu Ungunsten des Arbeitnehmers nicht vorliegt. Daß der Kläger einen Nachweis verlangt hat, ist nicht festgestellt.
cc) Daran ändert auch nichts, daß der MTV Interhotel als Firmentarifvertrag durch einen Flächentarifvertrag abgelöst wird.
aaa) Bei beiderseitiger Tarifgebundenheit gelten die Tarifbestimmungen eines Firmentarifvertrages zwingend. Sie werden nach einem Betriebsübergang zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses, § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB, dies aber nur mit dem Tarifstand zur Zeit des Betriebsübergangs, also statisch.
bbb) Für (noch) Nichtorganisierte - wie den Kläger - gilt: Jedenfalls dann, wenn alle Arbeitnehmer nach dem Firmentarifvertrag behandelt werden, liegt eine Gleichstellungsabrede vor. Ein über die Gleichstellung aller Arbeitnehmer hinausgehender Regelungswille ist auch in einem solchen Fall nicht erkennbar. Von einer schuldrechtlich weitergehenden Tarifwirkung als in der Beziehung zwischen nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien ist nicht auszugehen. Das hat in einem solchen Fall zur Folge, daß der Firmentarifvertrag statisch weiter anzuwenden ist.
ccc) Hier ist aber nicht ein bestimmter Firmentarifvertrag oder ein bestimmter Firmentarifvertrag in jeweils geltender Fassung in Bezug genommen, sondern "der jeweils geltende Tarifvertrag" bzw. "die Bedingungen des jeweils geltenden Tarifvertrages". Diese Klausel erfaßt bei Betriebsübergang jedenfalls den Verbandsbeitritt und den damit einhergehenden Übergang vom Firmen- zum Verbandstarifvertrag.
Bei unverändertem Betriebszweck hat lediglich ein Arbeitgeberwechsel und ein Verbandsbeitritt stattgefunden. Der für den Betriebsübernehmer geltende Tarifvertrag war mit derselben Gewerkschaft abgeschlossen, die den Tarifvertrag abgeschlossen hatte, der für die Organisierten beim Betriebsveräußerer galt und auf Grund Gleichstellungsklausel auch für die Außenseiter anwendbar war.
dd) Ab Juli 1999 galt für den Kläger der MTV 1997 ohnehin kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG, wobei ein Fall des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB schon deswegen nicht vorliegt, weil der Kläger zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs nicht tarifgebunden war.
Dieser Tarifvertrag sieht für 1999 in § 7 nur ein Weihnachtsgeld in Höhe von 800,00 DM vor. Diesen Betrag hat der Kläger erhalten.
2. § 15 MTV 1997 (§ 14 Abs. 1 MTV 1991) trägt den vom Kläger geltend gemachten Anspruch gleichermaßen nicht.
a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, "vereinbarte bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen" in diesem Sinne seien lediglich zusätzliche einzelvertragliche Bedingungen, die ausdrücklich über die Regelungen eines jeweils anwendbaren Tarifvertrages hinausgingen. Ebenso verhalte es sich bei den in § 15 MTV 1997 genannten "gewährten" Bedingungen, bei denen im Unterschied zu den "vereinbarten" Bedingungen nur eine ausdrückliche Vereinbarung fehlen könne. Insoweit enthalte § 15 MTV 1997 nur eine Ausformung des Günstigkeitsprinzips. Dieses betreffe das Verhältnis verschiedener arbeitsrechtlicher Rechtsquellen untereinander, hier etwa des Tarifvertrags zum Arbeitsvertrag. Hier werde jedoch der nur arbeitsvertraglich anwendbare MTV Interhotel mit seinen besseren Bedingungen mittels arbeitsvertraglicher Gleichstellungsabrede durch den wiederum nur arbeitsvertraglich anwendbaren MTV 1991 bzw. MTV 1997 abgelöst.
b) Das ist entgegen der Auffassung der Revision jedenfalls im Ergebnis richtig.
aa) "Vereinbart" sind auf Grund der Bezugnahmeklausel die tariflichen Bedingungen, sonach für das Jahr 1999 eine Jahressonderzahlung in Höhe von 800,00 DM, welchen Betrag der Kläger erhalten hat.
bb) "Gewährte" bessere Bedingungen deuten auf tatsächlich praktizierte Entgelt- und Arbeitsbedingungen hin, denen eine ausdrückliche Vereinbarung nicht zugrunde liegt, was im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht so selten vorkommt.
aaa) Aus dem Halbsatz zum Geltungsbereich "soweit für diese keine speziellen Tarife bestehen, bis zu deren Auslaufen" (MTV 1991) bzw. "soweit sie tariflich nicht anderweitig gebunden sind" (MTV 1997) ergibt sich nichts anderes. Damit wird nur klargestellt, daß sich der MTV 1991 für Betriebe, für die der MTV Interhotel noch galt, als einschlägige Nachfolgeregelung versteht, die den früheren MTV Interhotel ablöst oder ihn ablösen soll. Daß der MTV Interhotel zum 31. Dezember 1993 gekündigt wurde und der MTV 1991 zum 31. Dezember 1993 kündbar war und auch zu diesem Zeitpunkt gekündigt worden ist, ändert daran nichts. Der MTV 1991 wurde vom MTV 1997 abgelöst. In dessen Formulierung zum Geltungsbereich wird lediglich in erster Linie das Spezialitätsprinzip angesprochen, also, daß zB ein Firmentarifvertrag vorgeht, aber auch der Fall gesehen, daß eine Gaststätte als Nebenbetrieb von dem Tarifvertrag erfaßt wird, dem der Hauptbetrieb unterliegt.
bbb) Dem Kläger wurde bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs 1992 Weihnachtsgeld bezahlt. Ohne den Betriebsübergang hätte dem Kläger für das Jahr 1993 2.180,00 DM brutto als Weihnachtsgeld zugestanden, welcher Betrag dann auch 1993 bis 1997 bezeichnet als "Weihnachtsgeld" gezahlt wurde. Das ist aber keine Lohnbedingung iSd. Tarifvorschrift des § 15 MTV 1997. Denn die Beklagte hatte bis zu ihrem Eintritt in den Arbeitgeberverband die Bedingungen des MTV Interhotel anzuwenden, dann auf Grund der Tarifwechselklausel nicht mehr. Sie brauchte das Weihnachtsgeld nach MTV Interhotel ab 1993 nicht mehr zu erbringen. Sie hat es gleichwohl getan, wozu sie nicht verpflichtet war. Daraus ist aber eine Vereinbarung oder ein Gewähren nicht ableitbar, dies schon deswegen nicht, weil 1997 und 1998 zwischen dem tariflichen Weihnachtsgeld und dem Restbetrag differenziert wurde und die Regelung für 1998 auf die Absprache zwischen Betriebsrat und Beklagter vom 4. November 1998 zurückzuführen ist.
II. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung scheidet gleichermaßen aus.
1. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit ausgeführt, jedenfalls bis zum Jahre 1996 ergebe sich aus dem Verhalten der Beklagten nicht, sie habe einen eigenständigen Rechtsgrund für die Leistung setzen wollen. Aus dem Zahlungsverhalten der Beklagten sei ein eigenständiger Verpflichtungswille nicht deutlich zu entnehmen. Es liege wesentlich näher anzunehmen, die Beklagte habe einer vermeintlichen Pflicht aus dem MTV Interhotel iVm. der Gleichstellungsabrede des Arbeitsvertrages genügen wollen. Hierfür spreche die gleichbleibende Höhe des seit 1991 ausgezahlten "Weihnachtsgeldes" angesichts dessen, daß der MTV Interhotel zum 31. Dezember 1993 gekündigt worden sei, ab 1. Januar 1994 nur kraft Nachwirkung habe gelten können, ein nachwirkender Tarifvertrag Objekt einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel bleiben könne und im Nachwirkungszeitraum die Ansprüche "eingefroren" würden. Es könne dahingestellt bleiben, ob für die Zeit ab 1997, also seit Inkrafttreten des MTV 1997, den Zahlungen der Beklagten ein eigenständiger Verpflichtungswille habe entnommen werden können. Denn die dann erfolgten zweimaligen, im übrigen unterschiedlichen, Zahlungen hätten nicht mehr eine Bindung für die Zukunft erzeugt.
2. Auch dem ist im Ergebnis zu folgen. Es ist durchaus nachvollziehbar, daß die Beklagte sich gehalten fühlte, den Bedingungen des MTV Interhotel nach wie vor gerecht zu werden, obwohl dies nicht mehr geboten war. Diese Annahme ist entgegen der Revision keine Spekulation, sondern liegt nahe. Das war für den Kläger auch erkennbar. Denn das Weihnachtsgeld wurde stets in gleicher Höhe gezahlt, also auf dem Stand des MTV Interhotel für das Jahr 1992. Nach eigenem Vortrag hatte der Kläger bereits 1991 ein Weihnachtsgeld von 2.180,00 DM erhalten. Ab 1994 hatte es nach dem MTV Interhotel steigen sollen. Daraus war erkennbar, daß die Beklagte sich lediglich entsprechend ihren vermeintlichen Verpflichtungen verhalten wollte. Wollte die Beklagte aber nur eine Verpflichtung erfüllen, ist für eine betriebliche Übung kein Raum (vgl. zur irrtümlichen Annahme einer Leistungspflicht zB BAG 2. April 1958 - 4 AZR 443/55 - BAGE 6, 59). Sie konnte ihre Leistung für die Zukunft einstellen oder modifizieren. Das hat sie getan. Sie hat ab 1997 differenziert und entsprechend MTV 1997 600,00 DM "Weihnachtsgeld" und 1.580,00 DM "Einmalzahlung" bzw. 700,00 DM "Weihnachtszuwendung" und 1.480,00 DM "weitere Weihnachtszuwendung" gezahlt. Das reicht für die Entstehung einer betrieblichen Übung nicht aus, zumal die Zahlung für 1998 auf die Absprache zwischen dem Betriebsrat bei der Beklagten und der Beklagten zurückzuführen ist. Darauf, ob ein einzelvertragliches Schriftformerfordernis für Vertragsänderungen oder -ergänzungen das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindert, kommt es damit nicht mehr an.
Sonach steht dem Kläger der begehrte Betrag nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bott, Wolter, Friedrich
Kiefer, Münter
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